CO2-Steuer, Feinstaub, Abwrackprämie…und nu?

Wir sind eine Nation der Komiker, ohne Zweifel. Denn: Lustige Ideen überziehen das Land. Eine spaßiger als die andere. Und es werden immer mehr. Einige davon schaffen es sogar, den Status geltenden Rechts zu erlangen.

Die Feinstaubzonen zum Beispiel. Hach, was ein Spaß. Mittlerweile wohne auch ich in einer Feinstaubzone (ganze 300 Meter), darf also mithin mangels kleiner, farbiger Plakette nicht mehr mit meinem eigenen Auto nach Hause. Daß diese Feinstaubzonen nichts bringen, spielt dabei keine Rolle. Es wurde entschieden, also wird es auch durchgezogen. Und wenn nicht der Umwelt zuliebe, dann zumindest zum Wohle der Automobilindustrie, die händeringend auf den ersehnten Absatzschub wartet. Und da sag noch einer, wir wären humorlos.

Interessanterweise sind es die modernen Fahrzeuge mit ihren Commonrail- und Pumpe-Düse-Techniken, die Feinstaub überhaupt erst emittieren. Ein Traktor wie mein Landcruiser wirft hinten grob geschätzt handtellergroße Partikel aus…der macht an Steigungen vielleicht mal richtig dunkel für den nachfolgenden Verkehr, allerdings ist das Zeug mit Sicherheit nicht lungengängig – und das ist ja die Gefahr beim Feinstaub.

Nichts desto trotz haben unsere Innenstädte mit einer hohen Partikelbelastung zu kämpfen, keine Frage. Der sichtbare Teil ist dabei nicht einmal der gefährlichste: Lungengängig und somit eben gesundheitsschädlich sind Teilchen der Größe “PM10“, die sich nicht mehr wie Schwebstaub, sondern wie Gase verhalten.

Aber woher kommen diese Teilchen? 10 Untersuchungen ergeben dabei 15 unterschiedliche Ergebnisse…kurzum: So richtig aufs letzte Milligram ermitteln kann das niemand. Das Umweltbundesamt hat den verbrennungsbedingten Feinstaub-Anteil des gesamten Verkehrs in einer Untersuchung aus dem Jahre 2005 auf rund 21 Prozent beziffert, andere Statistiken sprechen von deutlich unter 10%. Eine Untersuchung der Universität Wien ermittelte u.a. 23% Mineralstaub/Splittstreuung, 13% Holzrauch und 15% Verkehrs-Aerosole. Letztere teilen sich auf in Motor-Emission, Bremsstaub und Reifenabrieb, wobei für den Motor durchschnittlich 7% angegeben werden. Wohlgemerkt: Auch damals gab es schon eine ganze Menge Fahrzeuge, die die grüne Plakette bekommen hätten.

Wenn wir das jetzt mit der Feinstaubverordnung zusammenwerfen, die ganzen Ausnahmen rausrechnen und uns vor Augen halten, daß auch Fahrzeuge mit grüner Plakette immer noch Feinstaub emittieren…dann schmelzen diese 7% plötzlich ganz schnell zusammen.

Für die verbleibenden paar Prozent (vielleicht ganze 2? Ich weiß es nicht) werden tausende von Autobesitzern gezwungen, sich ein neues Fahrzeug zu kaufen.

Im Ergebnis kommt das einer Zwangsenteignung gleich.

Wurde eigentlich je untersucht, wieviel Fein- oder Schwebstaub die Silvester-Knallerei erzeugt? Die sommerliche Grillsaison? Streusalz? Bauarbeiten? Laserdrucker? Schüttgutumschlag? Der jährliche Staubsturm aus der Sahara?

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Auch bei der neuesten Ausgeburt – der CO2-Steuer – wurde eine halbe Sache durch eine andere halbe Sache ersetzt. Abgesehen vom ganzen Hickhack im Vorfeld erfüllt auch die endgültige Ausgestaltung nicht ansatzweise den vordergründig proklamierten Sinn und Zweck des “Umweltschutzes”.

Hintergedanke ist: “Kauft neue Autos und werft die alten weg, damit schützt Ihr die Umwelt.”

Denken wir das doch einmal konkret durch, der Plausibilität wegen mit einem gängigen Mittelklasse-Fahrzeug älteren Baujahrs: Nehmen wir einen Mercedes-Benz, W124, 250 TD. Die guten alten Benz-Diesel, einer der meistverkauften PKW. Dieser verbraucht bei normaler Fahrweise 6-8 Liter Diesel (oder Pflanzenöl). Gut, man bekommt ihn auch locker auf 5, aber wir wollen’s ja nicht übertreiben.

7 Liter Diesel auf 100 km bedeuten eine CO2-Emission von 185,5 g/km.

Die Produktion eines Neuwagens gleicher Größe verbraucht durchschnittlich 20 Tonnen CO2, heißt es. Das ist zumindest der Wert, der durch die Medien gereicht wird.

Und jetzt kommt der Dreisatz: Mit dem betagten 250er können knapp 108 tsd. Kilometer zurückgelegt werden, bis die anfallende Emission für eine Neuproduktion erreicht wäre. Bei sparsamer Fahrweise sind es knapp 130 tsd. Kilometer.

Dafür bräuchte Otto Normalverbraucher ungefähr 8,5 Jahre (bei 15 tsd. km Jahresfahrleistung).

Wenn man einen Schritt weiter geht und den alten Diesel mit Pflanzenöl bewegt, verändert sich dieser Wert ganz beachtlich. Natürlich ist PÖl nicht 100% CO2-neutral. Aber selbst bei einem theoretischen Wert von 15% (bleibende Co2-Emission gegenüber mineralischem Diesel) steigt das km-Äquivalent auf 360 tsd. Den energetisch sicherlich aufwändigeren Reparaturaufwand moderner Fahrzeuge nicht mit eingerechnet.

360.000 km.

Da wir ja nicht alle alte Benz-Diesel bewegen, sondern “spritschluckende Dinosaurier”, dehne ich die Rechnung mal auf ein konkretes Beispiel aus: Mein Buschtaxi. Ich bewege meinen Cruiser geschätzte 5 tsd. km im Jahr. Treffen, Messen, Urlaub und ab und zu mal am Wochenende zu einer gemütlichen Ausfahrt. Mit 10-12 Litern bin ich für dieses Fahrzeug und seine Nutzlast recht sparsam unterwegs. Das ergibt eine CO2-Emission von 291,5 g/km, auf die Jahresfahrleistung gerechnet sind es 1457.5 kg. Setzt man die Neuproduktion eines Mittelklassefahrzeugs dagegen (KEIN Geländewagen!), könnte ich knapp 14 Jahre so weiterfahren, bis ich den Energieaufwand eines Neuwagens aufgezehrt hätte.

14 Jahre.

Und: Ja, ich betreibe mein Buschtaxi mit Pflanzenöl, zumindest im Mischbetrieb mit 30%. Die restliche Rechnerei spare ich mir jetzt aber, das ist vor dem Hintergrund der schon errechneten 14 Jahre dann auch nicht mehr wichtig.

Neuproduktion kostet also Unmengen an Energie. Erscheint logisch, wenn man mal für fünf Pfennig nachdenkt. Und sooo außergewöhnlich umweltfreundlich ist die Automobilindustrie in der Produktion noch nicht überall. Toyota geht mit seiner “Null Emissionen”-Strategie indes keinen schlechten Weg: Im Werk Valenciennes wird jetzt schon der anfallende Produktionsabfall vollständig recycelt. Aber damit sind sie auch recht allein auf weiter Flur…

Ich halte für mich persönlich also fest: So ganz durchdacht scheint mir das ganze noch nicht. Der Gedanke der staatlichen Steuerung zugungsten des Umweltschutzes ist ein hehrer, ohne Zweifel. Die Ausführung der Regelungen jedoch treffen nicht einmal annähernd ins Schwarze. Sicherlich: Es ist schwer, eine sinnvolle und gleichzeitig faire und tatsächlich zielführende Lösung zu ersinnen. Womöglich ist es gar unmöglich. Dennoch gibt es sicherlich Lösungen, die deutlich ergebnisorientierter wären – wie zum Beispiel die seit längerem hier und da aufblitzende Umlegung der Kfz-Steuer auf den Spritpreis. Wer viel fährt, zahlt viel. Klingt einfach. Vermutlich aber zu einfach.

“Die Dreckschleudern werden dann aber nicht bestraft”, denkt jetzt der eine oder andere. Sicher, das ist wahr. Werden sie aber beim CO2-Konzept auch nicht. Hier wie da müsste ein Sockelbetrag für Emissionswerte (und zwar nicht nur CO2!) eingeführt werden, der moderne und umweltfreundliche Lösungen fördert.

Buschtaxi-Mitglied Rico hatte schon im Jahr 2007 eine Petition zur Umlegung der Kfz-Steuer auf den Spritpreis eingereicht. Die Petition liegt wohl immer noch im Ausschuß, zumindest hat er bis dato nichts mehr davon gehört…seine Anfragen an die Parteien zum Thema “Kfz-Steuer” indes (und vor allem die Antworten!) sind lesenswert. Lesenswert sind auch die Gedanken im Blog von Uwe, der in die gleiche Kerbe schlägt und, sagen wir mal, “seiner Verwunderung offen Ausdruck verleiht”…

Wer die zukünftig auf Neuwagen (also nicht auf Bestandsfahrzeuge, keine Panik!) anfallende Steuer übrigens einmal ausrechnen möchte, findet hier eine sehr nette Excel-Tabelle.

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Kommen wir zur letzten spassigen Idee:

Die Abwrackprämie! Satte 2.500 Euro bekommt man, wenn man sein mindestens 6 Monate auf sich (als Privatmann!) angemeldetes Fahrzeug verschrotten läßt und den Nachweis beim Neukauf eines Fahrzeugs einreicht. 600.000 mal soll diese Prämie gezahlt werden. Macht lustige 1,5 Milliarden Euro zur Förderung der Automobilwirtschaft.

Bis dato wurden schon 2.000 Prämien beantragt, also wurden 2 tsd. Fahrzeuge verschrottet (oder zumindest wurde vorgegeben, daß sie verschrottet wurden, natürlich taucht auch hier die eine oder andere Kiste früher oder später in Afrika auf) und entsprechend 2 tsd. Neufahrzeuge gekauft. Interessanterweise sind das wohl (ich habe jetzt keine Zahl zur Hand, muß ich gestehen) überwiegend Fahrzeuge aus nichtdeutscher Produktion, denn schlußendlich bieten die nicht nur die passenden Produkte, sondern auch recht gute Konditionen im Zusammenspiel mit der Prämie. Auch Toyota ist hier gut dabei: Wer einen Aygo kauft, erhält zur Abwrackprämie noch einen Bonus in Höhe von stattlichen 1.025 Euro. Damit kostet das Wunder-Ei gerade mal noch 5975 Euro. Das ist ein Wort. Was zahlt man nochmal für einen Smart?

Ich habe heute den Test gemacht, weil ich es selbst sehen wollte: Der Fiat-Händler war gut besucht, der Mercedes-Händler war leergefegt. Klingt nach Stammtisch-Parole, aber so war´s eben.

So gut das Engagement der Importeure ohne Zweifel ist, so sehr wurde damit aber das ursprüngliche politische Ziel verfehlt.

Mal ganz abgesehen davon, daß die alten, gerade verschrotteten Fahrzeuge ja keine Feinstaub-Emission…aber lassen wir das jetzt.
Fakt ist, natürlich, daß die Entwicklung neuer Motoren und Technologien gefördert gehört. Feinstaub hin oder her, wir können ja nicht guten Gewissens auf dem Stand der Neunziger stehen bleiben.

Aber sinnvoll sollte eine solche Förderung halt schon erfolgen.

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Nochmal die Links in der Übersicht:

MDR Fakt über die Feinstaubzonen:
http://www.mdr.de/fakt/5170245.html

Fraunhofer Institut: Meteorologische Großwetterlagen und ihr Einfluß auf Feinstaubwerte
http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/99373/
http://www.innovations-report.de/html/berichte/umwelt_naturschutz/bericht-44145.html

Max-Planck-Gesellschaft: “Rußpartikel moderner Dieselmotoren sind vermutlich gesundheitsschädlicher als die Rußteilchen aus älteren Motoren”
http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2008/pressemitteilung20080208/index.html

Universität Wien: Anteil der Emittenten am Feinstaubaufkommen
http://www.oeamtc.at/netautor/download/document/auto/feinstaub_puxbaum.pdf

Umweltbundesamt: Hintergrundpapier zum Feinstaub
http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/hintergrund/feinstaub.pdf

Ricos Petition:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=396

Toyota´s “Null-Emissionen”-Strategie:
http://www.hybrid-zukunft.at/mission.php

Dekra CO2-Rechner:
http://www.dekra-online.de/co2/co2_rechner.html

“Fuhrparkblog” – Steuerrechner und weitere kleine Helferlein:
http://www.fuhrparktreff.de/

Spiegel Online – Die ersten 2000 Abwrackprämien wurden beantragt:
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,605013,00.html

Hier noch eine wunderbare Grafik zum Thema: Feinstaubbelastung durch Silvesterfeuerwerk:
http://gis.uba.de/website/silvester/

…und ein Artikel beim Stern:
http://www.stern.de/wissen/mensch/silvester-feinstaub-rekord-durchs-feuerwerk-606416.html

Nachtrag von 2014, Bericht in Spiegel Online über die Feinstaubbelastung durch Holzfeuerung:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/holzoefen-und-feinstaub-oefen-und-kamine-belasten-luft-mit-feinstaub-a-986492.html

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