Der Allradantrieb

Wer noch nie etwas mit rundum angetriebenen Rädern zu tun hatte, steht bezüglich der adäquaten Bedienung eventuell erst einmal vor einem großen Rätsel. Wenn man allerdings schon zur 4WD-Welt gehört, dann sollte man auch ein wenig Grundwissen über die Funktion des Allradantriebs haben. Deshalb gibt es hier eine ultrakurze (!) Einführung im Schnelldurchlauf und ein paar erklärende Videos im Anschluss. Los geht’s!

“Allradantrieb” oder “Four Wheel Drive” (“4WD”, bei 6 Rädern logischerweise “6WD”) bzw. auch “All Wheel Drive” (“AWD”) heißt schlicht, dass alle Räder (bis auf das Ersatz- und das Lenkrad, ich sag’s vorsichtshalber dazu) angetrieben werden. Der Sinn und Zweck ist klar: Mehr angetriebene Räder = mehr Vortrieb. Im Gelände ist das von Vorteil.

 

Grundsätzlich unterscheiden wir drei verschiedene Antriebskonzepte:

  1. Der zuschaltbare Allradantrieb
    In den meisten Allradlern “alter Schule” ist ein zuschaltbarer Allradantrieb mit Untersetzungsgetriebe verbaut, so u.a. auch im J7. Bei Bedarf bleibt man also stehen, schaltet in den Leerlauf, zieht den Hebel in “4H” (für “High”) oder drückt auf den “4H”-Knopf und fährt dann weiter. Dadurch wird die Vorderachse zugeschaltet, alle Räder sind angetrieben.
    Achtung: Die Hinterachse hat ein Differential, die Vorderachse auch…aber in der Mitte gibt’s nix. Das heißt: Es gibt einen starren Durchtrieb, die hintere Kardanwelle dreht zwangsweise genauso schnell wie die vordere. Wenn das Fahrzeug nun in die Kurve fährt, beschreiben alle vier Räder einen anderen Radius. Das muss ausgeglichen werden. Genau dafür ist ja das Differential zuständig, aber: Zwischen Hinter- und Vorderachse gibt es beim zuschaltbaren Allradantrieb eben keinen Ausgleich, es entstehen durch die unterschiedlichen Drehzahlen Verspannungen…und die müssen aufgelöst werden. Auf losem Untergrund ist das kein Problem, die Räder arbeiten das einfach weg. Auf Asphalt ist das allerdings sehr wohl ein Problem, da kann nichts rutschen. Und irgendwas da unten im Antriebsstrang gibt dann mit einem vernehmlichen “Klonk” den Geist auf. ALSO ACHTUNG: Den zuschaltbarem Allradantrieb nur auf losem Untergrund nutzen!
    Stichwort “Freilaufnaben”: Um die Vorderräder aktiv antreiben zu können, müssen nicht nur Kardanwelle und Achse angetrieben werden, sondern es muss auch ein Kraftschluss zwischen Achse und Rad bestehen. Das ist die Nabe. Damit bei Fahrten ohne Allradantrieb Verschleiß und Verbrauch möglichst gering gehalten werden, sind diese Naben mit einem Freilauf ausgestattet: Im 2WD-Modus rollen die Räder einfach mit, aber Achse und Kardanwelle stehen still. Damit die Räder im 4WD-Modus wieder schlüssig mit der Achse verbunden sind, muss die Nabe sozusagen “verriegelt” werden. Das geschieht automatisch (“automatische Freilaufnaben”) oder manuell (“manuelle Freilaufnaben” – hier muss man aussteigen und den kleinen Schalter in der Mitte der Vorderräder auf “Lock” drehen).
  2. Der permanente Allradantrieb
    Der permanente Allradantrieb hat den großen Vorteil, dass er IMMER eingeschaltet ist. Und den einzigen Nachteil, dass dadurch ein paar Teile mehr dem regulären Verschleiß anheim fallen und die Karre halt einfach ein bisschen mehr braucht. Die Vorteile überwiegen die Nachteile eindeutig: Er läuft immer mit (also auch, wenn’s plötzlich rutschig wird) und er verfügt über ein Zentraldifferential, es gibt also auch auf festem Boden keine Verspannungen in den Kurven. Das reduziert unter anderem auch den Wendekreis ganz erheblich, vor allem aber den Verschleiß im Gelände und die Gefahr von Defekten. Permanent ist der Hit, sozusagen.
  3. Mischformen
    Mischformen sind unter den handfesten Geländewagen aus dem Hause Toyota nicht anzutreffen: Land Cruiser, Hilux, FJ Cruiser, 4Runner und Konsorten haben einen echten mechanischen Allradantrieb. Nichts desto trotz darf man es mal hören: Der RAV4 zum Beispiel stellt den Allradantrieb her, indem separate Elektromotoren die Vorderräder antreiben. Aber wie gesagt, das soll uns hier erst einmal nicht weiter beschäftigen.

 

Die Sache mit der Differentialsperre

Wir haben gerade darüber gesprochen, dass jede Achse ein Differential besitzt, das in Kurvenfahrten für den Ausgleich der unterschiedlichen von den Rädern zurückgelegten Wege zuständig ist. Beim permanenten Allradantrieb gibt es zusätzlich ein zentrales Differential (“Mitteldifferential”/”Zentraldifferential”), das diesen Ausgleich zwischen Vorder- und Hinterachse herstellt. Der große Vorteil der Differentiale auf der Straße wird im Gelände zum großen Nachteil: Die Kraft wird automatisch dort hingeleitet, wo es “leicht geht”. Wenn also ein Rad weniger Grip hat als das andere (oder gar in der Luft hängt), dann dreht es freit, während das Rad mit Grip einfach stehen bleibt. Der Vortrieb endet. Und das ist eher unpraktisch. Die Lösung: Differentialsperren oder Differentialbremsen. Zu bevorzugen ist immer die auf Wunsch schaltbare 100%ige Sperre. Die Schaltreihenfolge ist in aller Regel: Erst hinten, dann vorne bzw. bei permanentem Allradantrieb erst Mitte (in aller Regel gleichzeitig zum Einlegen der Untersetzung), dann hinten, dann vorne. Wobei Ihr Euch um die vordere Sperre in aller Regel keine Gedanken machen müsst, die hat nämlich kaum ein Auto. Warum? Weil sie in 95% der Fälle nicht gebraucht wird. Lasst Euch da auch nix einreden…”haben geht vor brauchen”, schon klar, aber im Fall der Fälle gebt Ihr das Geld lieber für eine ordentliche Winde aus, das bringt mehr.

 

Das war eine superknappe Ultrakurzeinführung. Nur für die Begrifflichkeiten. Wer es ausführlicher möchte, kann sich den einen oder anderen Guide im Internet anschauen, es gibt genügend Material dazu. Und ich lege Euch das Buch “Driving off the Road. Wie Du richtig im Gelände fährst.“von Michael Scheler ans Herz.

Hier spreche ich kurz über Starrachse, Einzelradaufhängung, Bodenfreiheit und ähnliches:

 

Hier (leider derzeit nur auf Facebook verfügbar) bin ich mit dem Hilux unterwegs und erzähle ein wenig über elektronische Helferlein:

https://www.facebook.com/buschtaxi.net/videos/804908146512210

 

Und hier geht’s nochmal um Traktionskontrolle und ähnliches:

 

Und jetzt noch ein kleiner Ausflug in entlegene Gebiete: Toyota Gibraltar Stockholding (“TGS”) bedienen die in Afrika und auf der arabischen Halbinsel tätigen NGO mit den benötigten Land Cruiser, Hilux, HiAce und ähnlichen Fahrzeugen. Und mehr noch: Neben Umbau und Logistik führen sie auch Schulungen für das Personal vor Ort durch. Und da geht es nicht nur um “besondere” Elemente wie eine Winde oder ähnliches Zubehör – es geht ganz handfest darum, WIE man denn ein Allradfahrzeug bewegt. Fehlbedienung oder ruppige, materialmordende Fahrweise aus Unkenntnis oder fehlender Erfahrung mag so ein Land Cruiser ja verzeihen…ewig geht das aber nicht gut. Und die Wartung des Fuhrparks ist für eine NGO ein beachtlicher Posten. Geschultes Personal senkt diese Kosten unmittelbar, solche Seminare lohnen sich also.

Hier ein Schulungsvideo zum Thema “Basic 4WD Operation”:

 

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