Carsharing verändert die Autowelt nicht

 

Gastartikel von Thomas Lang

Zukunftsweisender Trend oder kurzfristiges Phänomen? – In Rahmen einer Studie untersuchte der TÜV Rheinland die Zukunft des Carsharing. Das Modell, ein Fahrzeug nicht zu besitzen, sondern nur zu nutzen, wenn es aktuell erforderlich ist, gewinnt in Deutschland zunehmend Anhänger. Vor allem in Ballungszentren. Die Technikprüfer gingen dabei der Frage nach, ob sich das Teilen eines Fahrzeugs durch verschiedene Nutzer für die Anbieter das Geschäft der Zukunft wird oder auf Dauer ein Nischenprodukt bleibt. Die Antwort fällt überraschend deutlich aus: Carsharing wird ein fester Bestandteil zeitgemäßer Mobilität, aber der private Pkw wird mitnichten zum Auslaufmodell.

Der TÜV Rheinland und die Kölner Beratungsgesellschaft BBE hatten für ihre Studie folgende Fragen auf die Agenda gesetzt: Wie sieht es mit der Zukunft des Carsharings in Deutschland aus? – Entwickelt sich das Teilen eines Fahrzeugs in den nächsten Jahren für die Anbieter wirklich zum großen Geschäft oder bleibt es auf Dauer ein Nischenprodukt? Unzweifelhaft steht fest: Carsharing entwickelt sich als fester Bestandteil zeitgemäßer Mobilität. Freilich lassen sich viele der erwarteten enormen Wachstumsraten nicht realisieren.

Aktuell nutzen rund eine Million Autofahrer die Angebote auf dem Markt. Laut BBE-Prognose verdoppelt sich diese Zahl bis 2020. Mit politischer Unterstützung, Ausschöpfung der Potentiale von Mobilitätsportalen und Ausbau des noch in den Kinderschuhen steckenden „Corporate Carsharings“, wie die Nutzung von Firmenfuhrparks durch Mitarbeiter, könnte die Zahl der Nutzer am Carsharing bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts sogar auf drei Millionen steigen.

Mit einer Analyse des bestehenden Angebots weist die Studie auf die Unterschiedlichkeit der Modelle nach. Ein großer Teil des bisherigen Erfolgs geht auf die so genannten „Free Floater“ zurück, an denen sich große Hersteller in Kooperation mit Vermietern beteiligen. „Drive-Now“ (BMW/mini/Sixt) oder „Car2go“ (Daimler/Eurocar) bieten keine festen Mietstationen an. Nutzer holen die Fahrzeuge auf öffentlichen Parkplätzen in bestimmten Regionen und stellen sie nach Gebrauch innerhalb des Geschäftsgebietes wieder ab. Die Buchung erfolgt online, per App oder Telefon-Hotline.

Zwischen Januar 2013 und Juli 2014 stieg die Zahl der Nutzer dieser Angebote, die über 5900 Fahrzeuge verfügen konnten, um 347 000 auf 530 000. Im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl der Nutzer von stationsbasierten Anbietern („Flinkster“, „Cambio“, „Green Wheels“, „Citecar“ oder „BMW Carsharing“), die rund 9500 Fahrzeuge bereitstellen, um lediglich 200 000. Das Modell des „Free Floating“ funktioniert allerdings auf dem Land gar nicht. Das private Carsharing mit einem Pool von etwa 11 000 Fahrzeugen und 90 000 Nutzern bleibt eine Randerescheinung.

Das Geschäftsmodell des Carsharing kann theoretisch auf ein nahezu unbegrenztes Potential zurückgreifen. Rund 60 Millionen der rund 80,7 Millionen Bundesbürger sind älter als 18 Jahre und somit im „fahrfähigen“ Alter. Davon besitzen rund 75 Prozent einen Führerschein. 41,2 Millionen besaßen 2014 einen eigenen Wagen. Aber nur rund 16 Prozent, mithin sieben Millionen Menschen, können sich vorstellen, den eigenen Wagen zu verkaufen und künftig ein Carsharing-Modell zu nutzen.

Die vom TÜV Rheinland präsentierte Studie basiert unter anderem auf Analysen des Anbieterspektrums, Recherchen bei allen relevanten Online- und Printquellen, Befragungen in Städten mit Carsharing-Angeboten, bei Anbietern und auf Analysen der Pkw-Bestandsdaten des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg sowie Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamts.

In den Metropolen differenziert die Verbreitung des Carsharings noch stark. An erster Stelle steht Karlsruhe mit 1,93 Fahrzeugen auf 1000 Einwohner. Gefolgt von Stuttgart (1,38 Fahrzeuge/1000 Einwohner) und Köln (1,17 Fahrzeuge/1000 Einwohner). Das Schlusslicht bildet Hamburg, wo nur 0,58 Carsharing-Fahrzeuge pro 1000 Einwohner im zur Verfügung stehen. Der durchschnittliche Nutzer ist zwischen 35 und 59 Jahre alt, verfügt zu 80 Prozent über Abitur und zu 66 Prozent über ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3000 Euro. Die Zielgruppe ist internetafin, besitzt nur zu 51 Prozent ein eigenes Auto, aber in 85 Prozent ein Fahrrad.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass selbst bei drei Millionen Nutzern von Carsharing in 2020 nur zwischen 26 000 und 39 000 neue Fahrzeuge erforderlich sind. Die Folgen für das Werkstatt- und Ersatzteilgeschäft fallen marginal aus. Nutzen könnten Hersteller jedoch aus den Möglichkeiten ziehen, Interesse für ihre Produkte zu wecken, Kunden von Morgen zu binden.

Wichtig aus Sicht der Autobranche ist die Erkenntnis, dass die Studie keinen Hinweis auf ein signifikant nachlassendes Interesse am eigenen Fahrzeug oder gar eine wachsende Verweigerungshaltung entdecken kann. Bei jüngeren Verbrauchern hat der Stellenwert des eigenen Autos eindeutig an Attraktivität verloren. Doch auch diese Gruppe wird älter und tendiert dann weiterhin zu einem eigenen Fahrzeug. (ampnet/tl)

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