Kraftfahrzeuge elektrisch anzutreiben, ist keine sonderlich neue Erfindung. Auch wenn der derzeitige Hype das manchmal gerne vermittelt: Schon in den Anfangszeiten des Automobils hat man erkannt, welche Vorteile ein Elektromotor hat: Er ist leise, er ist durchgehend kraftvoll von der ersten Umdrehung an…und er ist im Betrieb emissionsfrei. Drei Eigenschaften, die in bestimmten Nutzungsbereichen von unschlagbarem Vorteil sind: Italienische Innenstädte können von Elektrorollern oder -Bussen nur profitieren, und Rundfahrten mit elektrifizierten Bimmelbahnen (unter denen übrigens oft genug Land Cruiser oder Hilux stecken) kommen der ruhesuchenden Touristenseele sehr entgegen. Wirklich interessant wird der Elektroantrieb jedoch in Bereichen, in denen Lärmschutz oder Emissionsfreiheit nicht “ganz nett”, sondern unter Umständen von grundlegender Bedeutung sind: Unter Tage zum Beispiel. Im Untertagebau sind Land Cruiser und Hilux die meistverwendeten leichten Fahrzeuge, und gerade die großen Minenunternehmen in Australien haben als Großkunden auch auf die Entwicklung des Land Cruiser 70 einen ganz erheblichen Einfluss. Und auch wenn bezüglich der 70 Series jetzt tatsächlich über Euro 5 gemunkelt wird: Das macht die Abgase unter Tage auch nicht angenehmer.
Im August letzten Jahres hatte ich Euch einen Land Cruiser 79 vorgestellt, den Land-Cruiser-Spezialist Extrem und Elektro-Umbauer Lorey elektrifiziert hatten. Obwohl noch ein schwachbrüstiger Prototyp mit Entwicklungspotential, zeigte das damals schon sehr deutlich, wohin die Reise einmal gehen könnte: Ein wenig mehr Bums, ein wenig mehr Akku, ein wenig besser gesteuert…und schon würde das Ganze zu einer sehr interessanten Alternative für viele Einsatzbereiche.
Extrem hat dieses Thema weiter vorangetrieben: Zwischenzeitlich hat man sich von Lorey getrennt und mit der Huber Group und dem niederländischen FD 4×4 Centre zusammengetan – und präsentiert am 24. Juni nun ein deutlich ausgereifteres Konzept: Den “Electric Cruiser”.
Basis ist ein Land Cruiser 79, der um Motor und Getriebe erleichtert wurde. Ein starker Elektromotor von Bosch wird direkt ans originale Verteilergetriebe angeflanscht, im Motorraum sitzt eine Li-Ion-Batterie und eine elektronische Steuerung kümmert sich um Energie, Lademanagement, Rekuperation, Sicherheit, Diagnose und all die anderen Kleinigkeiten, die dabei beobachtet, beachtet und gesteuert werden müssen. Dass gerade diese Steuerung keine Kleinigkeit ist, merkt man, wenn man sich einmal die verschiedenen auf dem Markt erhältlichen Elektro-PKW anschaut: Vom Kleinwagen mit Gabelstapler-Feeling bis zum ernstzunehmenden Sportwagen ist die gesamte Bandbreite der Auslegung vorhanden, und mit eben dieser Steuerung steht und fällt das ganze Konzept “Elektrofahrzeug”. Mit einer unausgewogenen Steuerung kann man alles zunichte machen – und mit der richtigen Steuerung kann man alles richtig machen, wie Tesla und BMW eindrucksvoll beweisen.
Zurück zum Elektro-Land-Cruiser: Der Bosch-Motor läuft mit 400 V und liefert maximal 90 kW und 200 Nm, der Dauerbetrieb ist mit 60 kW und 90 Nm angegeben. Das Maschinchen wiegt gerade einmal 31 kg, dreht mit maximal 12.800 Umdrehungen und wurde wie alle anderen Elektro-Komponenten auf 8.000 Betriebsstunden ausgelegt.
Für die Standard-Ausführung mit 46 kWh werden ca. 80-100 km Reichweite angegeben, die Kapazität der verbauten Batterien kann jedoch entsprechend angepasst werden.
Die Daten in der Übersicht:
Plattform
32-Bit Power Architecture dual core MCU with functional safety concept for SIL2 and ASILC
16-Bit automotive MCU for redundant processing and safety monitoring
Energy-, Power- & Safety Management
Vehicle Control & Integration of System-electronic components
Functionality
System Control
Energy Management
Recuperation (Brake Energy Recovery)
Charge Management (400 V and 230 V)
Safety Management (High-Voltage safety disconnection)
Diagnostic via bluetooth smartphone application
Bosch Power electronics
Power @ 400V 90 kW
DC/DC-converter 12 V / 2.5 kW
Voltage 12 V / HV up to 400 V
Durability 8000 h
Weight 10 kg
Bosch E-Drive
Power (max / cont.) 90/ 60 kW
Torque (max / cont.) 200 / 90 Nm
Max. rot. Speed 12.800 rpm
Durability 8000 h
Weight 31 kg
Bosch Gearbox
Gear ratio i = 3.086
Torque with Gearbox 615 / 275 Nm
Rotation Speed Max. 4147 rpm
Durability 8000 h
Weight 17 kg
46kWh battery pack
Cell typ Samsung INR 18650 29E
Capacity 133.4 Ah
Energy content 46.1 kWh
Technology Li-Ion
Nominal voltage 345.6V
Min voltage 288 V
Max voltage 394 V
Discharge cont. 300 A
Cooling system
IP protection IP67
Weight 300 kg
22kW On-Board fast charger
AC Input voltage single-phase 200 – 250 V
AC Input voltage three-phase 260 – 440 V
Max. input current (3p each) 32 A
Max. input current (single ph.) 15 A
DC Output voltage single-phase 200 – 450 V
DC Output voltage three-phase 310 – 430 V
Weight 12 kg
IP protection IP6k9k
Continental Electric Vacumm Pump
Pierburg Electric Water Pump
ZF Electric Steering Pump
Denso Electric Climate Compressor
Mobile Charging Box
Fast charging mobile station 22 / 43 kW
Max. charging current 32 / 63 A
One or three phases 230 / 400V
Bluetooth Connection
System Management
High Performance Plattform. 32-Bit Power Architecture MPC5643L / Leopard Dual Core with functional safety concept for SIL2 and ASILC. Energy-, Power- & Safety Management. Vehicle Control & Integration of System-electronic components.
System Control
Energy Management
Charge Management
Safety Management
Recuperation
Diagnostics
Innovative Design
Aluminium housing | Polycarbonate front cover with anti-reflection coating
10.6 inch (1280×768) | Viewing angle of 85° degrees
Brightness 1000 cd/m2 (sunlight readable)
External buttons for menu functionality | Integrated speaker | Multiple Skins
Communication via CAN BUS | analog | digital inputs
Technical Data
Electric Power (Max./ Cont.) 90/60kW
Torque (Max./ Cont.) with gearbox (i = 3.086) 615/275Nm
with transfer box (i = 2.295) 1411/631Nm
Maximum speed On-road 130km/h
Cont. speed Off-road @ 15% 35km/h
Max. Gradeability 45%
Driving range On-road 150km
Driving range Off-road 60km
Energy content 46kWh
Charging time (22 / 43 kW) 2/1h
Nun klingen 80 km Reichweite nicht nach wahnsinnig viel, aber wir sprechen hier auch nicht von einem Carbon-Zweisitzer, sondern von einem ausgewachsenen Allrad-Nutzfahrzeug. Noch dazu eines, das ursprünglich weder für Elektroantrieb entwickelt noch auf Leichtbau ausgelegt war…unter diesen Umständen ist das eine ordentliche Ausbeute, und das wird sich mit steigender Batteriekapazität natürlich noch verändern.
Fakt ist: Funktionierende Lösungen dieser Komplexität werden nur dann serientauglich entwickelt, wenn sich jemand mit vollem Einsatz dafür engagiert und dabei außer Acht lässt, dass das alles erst einmal “nur ein Versuch” ist. Aber das, was Extrem, Huber und Frank Daams hier auf die Räder stellen, könnte ein sehr guter Anfang sein. Ob es wirklich so ist, werden die ersten Testfahrten zeigen – das Buschtaxi wird dann natürlich berichten!
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