“POWERRR!”…oder: Ab wann e-Bikes Spaß machen

“Pedelec”…was für ein Wort. Eigentlich eine Zusammensetzung, die “Pedalkraft” und “Elektrischer Antrieb” kombinieren soll (genauer: “Pedal Electric Cycle”), ist dieses Kunstwort (zumindest in meinem Kopf) hinterlegt mit Bildern unförmiger Stadtfahrräder mit Tief-Einstieg und riesen Einkaufskorb hinten drauf. So zumindest war es, bis vor gar nicht allzu langer Zeit langsam auch jüngere Zielgruppen für die Elektro-Velos enteckt und entsprechende Räder vorgestellt wurden. Ob Renn-, Touren- oder Mountainbike, mittlerweile gibt es das alles auch elektrifiziert. Die Bandbreite reicht dabei von “leichter Tret-Unterstützung” bis zu “Holladiewaldfee”, die preisliche Bandbreite von “Autsch” bis “Mein Herz!”

Wenn man sich ein wenig tiefer einliest, kommt plötzlich auch die EU ins Spiel, denn die verschiedenen Systeme unterliegen natürlich strikten Regelungen. Die Begrifflichkeiten werden von der EU sauber unterschieden, in der Realität aber munter durcheinandergewürfelt. Deshalb vorab ein wenig Struktur:

  • Pedelec bezeichnet ein Fahrrad, das mit Muskelkraft und einem unterstützenden Elektromotor betrieben wird. Der Motor schaltet sich allerdings nur zu, wenn die Pedale getreten werden. Die Unterstützung des Motors darf maximal bei 250 Watt liegen und die Geschwindigkeit muss auf 25 km/h begrenzt sein. Eine eventuelle Anfahrhilfe per Knopfdruck darf zudem auf maximal 6 km/h beschleunigen. 
  • S-Pedelecs sind Pedelecs, die ihre Motorunterstützung erst bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h abschalten. Der Motor darf maximal 500 Watt haben. Und: S-Pedelecs sind rechtlich keine Fahrräder, sondern Kleinkrafträder. Fahrer müssen ein Versicherungskennzeichen anbringen und brauchen einen Führerschein der Klasse AM.
  • Ein e-Bike wiederum ist ein Elektrorad, das unabhängig von der Trittleistung des Fahrers eingesetzt werden kann, das also mittels Gashebel beschleunigt. Hier wird nach Leistungsstufen unterschieden: Bis 20 km/h (Motor max. 500 Watt) fällt es in die Kategorie “Leichtmofa”, bis 25 km/h ist es ein “Mofa”, bis 45 km/h ist es ein “Kleinkraftrad”.

Diese Regelungswut, über die man im ersten Moment ein wenig die Augen rollt, hat allerdings durchaus ihren Sinn und Zweck: So ein motorisierter Drahtesel kann ein ganz schönes Geschoss sein, und kein Mensch will Fahrräder mit 60 km/h über den Radweg schießen sehen, das kann nämlich früher oder später nur schief gehen. Und es gibt solche Räder: Der eine oder andere Hersteller bietet Boliden an, die gefühlt schon fast mit E-Motorrädern konkurrieren. Was natürlich, siehe oben, hochgradig illegal ist. 😉

Aber warum erzähle ich Euch das alles? Was haben Elektrofahrräder im Buschtaxi zu suchen?

Nun… :biggrin:

Ich hatte unlängst das Vergnügen, ein solches Gefährt zu bewegen. Und ich wurde binnen Sekunden vom Skeptiker zum Jünger. Das ist erstaunlich, aber letztendlich konnte sich mein Bauchgefühl dreier nicht zu schlagender Argumente nicht entziehen: Cooles Design, dicke Pellen und…POWEEEERRRR!!! Mit anderen Worten: Durchaus geländetauglich. Also genau das, was des Offroaders Herz höher schlagen lässt. Und nicht zuletzt hatte ich dadurch eine sehr nette Begegnung mit einem astreinen Tüftler, der sich wirklich mit Haut und Haar einer Produktentwicklung verschrieben hat. Und sowas mag ich einfach.

Von vorne: Vor einem halben Jahr schwemmte mir Facebook zum ersten Mal eine sinnvolle Werbeanzeige in den Stream: Ein Startup aus Düsseldorf bot dort e-Fat-Bikes zu einem erstaunlich akzeptablen Preis an. “eStallion” heißt das Ding, und meine Neugier trieb mich hin, als ich im September zufällig in der Nähe war. Vorgefunden habe ich einen winzigen Laden, der nur auf Voranmeldung seine Tür öffnet. Dann steht Startup-Chef Roman Chevelev persönlich bereit, um die Bikes vorzuführen und alles (aber auch wirklich alles) daran zu erklären. Und Roman, der studierte Elektroingenieur, hat einen mindestens so großen Nagel im Kopf wie ich. Mit anderen Worten: Er hat sich voll und ganz einer Sache verschrieben und möchte das bestmögliche Ergebnis erreichen. Also erklärt er mir sein Konzept, zeigt mir seine Ideen, referiert über Bremsen, Steuerungseinheiten und Displays. Der Kurzbesuch wird zur e-Bike-Lehrstunde.

Die elektrischen Hengste sind durchweg “Fat Bikes”, also Mountainbikes mit extra dicken Profilreifen. Und sie sind von vornherein als e-Bikes entwickelt worden, was man u.a. am längeren Radstand erkennt, der Platz für den Akku schafft. Das macht das Bike zwar weniger wendig, dafür aber auch ein wenig ruhiger: Länge läuft halt. Das Besondere daran: Roman wollte gutes Design und großen Fahrspaß kombinieren und dabei eben nicht jene Preisregionen erreichen, bei denen gemeinhin e-Bikes mit ordentlich Leistung anfangen. Das schafft er auch: Mit der jetzt noch bis Jahresende laufenden Sonderaktion kosten die Bikes zwischen 1.200 bis 2.500 Euro, später zwischen 2.500 und 3.600. Das ist, vor allem auf die Sonderaktion bezogen, ein erstaunlicher Preis in diesem Segment. Um das zu erreichen, lässt Roman die Rohteile nach seinen Spezifikationen im Ausland fertigen und baut das Rad in Deutschland zusammen.

Also was stimmt mit diesen Rädern nicht, bei diesem Preis? Sind die Rahmen schlecht geschweißt? Ist das Alu minderwertig? Fliegt einem der Akku um die Ohren, bricht die Lenkerstange, bröseln die Reifen?

Nichts dergleichen: Der eStallion ist ordentliche Arbeit. Das Design ist ausgereift, die Schweißnähte sind top, Materialien und Oberflächen qualitativ hochwertig, es wackelt und klappert nichts, die Steuerung und das Ansprechverhalten des e-Antriebs sind fein austariert. Das liegt nicht zuletzt auch an den verbauten Komponenten: Shimano-Schaltung (7-Gang), hydraulische Tektro-Scheibenbremsen, Federgabel mit Sperrmöglichkeit, handgenähte Ledergriffe, Ledersattel, natürlich integrierte LED-Beleuchtung und der obligatorische USB-Ausgang am Akku, um das Handy zu laden. In der hinteren Nabe steckt ein Bafang-Motor mit bis zu 80 Nm (!) Drehmoment. Roman betont, dass hier nicht viel “von der Stange” kommt: Rahmen und Steuerung, die wichtigsten Teile, wurden speziell für den e-Stallion entwickelt, die Anbauteile sorgfältig ausgesucht und angepasst. Dass das kein schönes Marketing-Gewäsch ist, konnte ich mit eigenen Augen sehen: Im Showroom stehen locker 5 Prototypen, an denen man den Entwicklungsprozess sauber nachvollziehen kann.

Und wir fährt sich das? “Setz Dich erstmal hier drauf”, meinte Roman, übergibt mir die Version mit 250-Watt-Motor in weiß mit schwarzen Felgen und stellt auf dem Display Stufe “2” ein. Macht für die ersten Meter allerdings keinen Unterschied: Die 5-stufige Einstellung regelt nicht das Anfahrmoment, sondern die Höchstgeschwindigkeit der elektrischen Unterstützung (so zumindest in dieser Version, in der aktuellen regelt man damit die Leistung des Motors). Wer es nicht gewohnt ist, mit einem Elektrotreter unterwegs zu sein, macht bei der ersten Pedalumdrehung erstmal ein dummes Gesicht und eiert ein wenig in der Gegend herum. Das hat sich allerdings schnell, und dann fühlt sich das super an. Kennt Ihr das Gefühl, wenn man am Flughafen oder der Messe mit normaler Schrittgeschwindigkeit auf eines dieser Laufbänder tritt? Plötzlich ist man drei Mal so schnell, bei gleichem Energieaufwand. So ähnlich ist das auf einem e-Bike, und das macht echt Spaß. Und bei 250 Watt läuft man auch keine Gefahr, es zu übertreiben: Die Scheibenbremsen packen zuverlässig und fein dosierbar, die Steuerung beim Antreten ist sauber und feinfühlig, man hat die Fuhre jederzeit absolut im Griff. Die fetten Reifen geben ein wohliges Surren von sich und liefern einen enormen Komfort ab, der dicke Sattel und die Federgabel tun sein übriges – der eStallion ist ein CRUISER. Und damit hätte ich auch schon die Frage beantwortet, was das hier im Buschtaxi zu suchen hat. 😉

Als ich zurück kam, stand Roman mit einem anderen Rad da: Schwarz mit goldenen Felgen. Ein wenig Porno, aber gut…ich bin ja offen für alles. “Fahr mal”, meint er. “Aber fang langsam an”. Und zeigt auf den Daumenhebel. “Also ehrlich”, denke ich mir, “als ob ich das Ding nicht im Gri….WHOOOOOAAAAAAA!!!” So also fühlen sich 750 Watt an. 80 Nm. Ansteuerbar per Daumenhebel bis 45 km/h, ohne mitzutreten. Als Buschtaxler kennt Ihr dieses debile und völlig unerklärbare Grinsen, was einem der Land Cruiser ins Gesicht zaubert. So ähnlich zogen sich meine Mundwinkel in diesem Moment auseinander. HIMMELNOCHMAL! Zum Glück habe ich Ohren, sonst hätte ich im Kreis gegrinst. Yeah, now we’re talking: DAS ist ungefähr das, was ich von einem e-Bike erwarte. Die Bandbreite ist also groß: Der kleinste Akku bringt 375 Wh, der zugehörige Motor 48 Nm. Das reicht für eine Reichweite von bis zu 70 km. Beim größten Akku mit dem stärksten Motor sind es sogar bis zu 200 km. “Mit treten”, wohlgemerkt. Wenn man die ganze Zeit nur den Daumen am Gasgriff hat und ansonsten faul auf dem Sattel herumlümmelt, reduziert sich die Reichweite deutlich. Und dann hat man halt einfach “nur” ein Fahrrad, das sich nach alter Väter Sitte betreiben lässt. Wobei ein Fat Bike dann schon etwas mehr Einsatz verlangt als ein dünnbereiftes ultraleicht-Rennrad. A propos Gewicht: Mit über 31 Kilo ist der große eStallion beileibe kein Leichtgewicht. Da stellen andere Hersteller unter anderem durch massiven Einsatz von Carbon deutlich weniger Masse auf die Räder, allerdings auch zu deutlich höheren Preisen. Ein großer Akku und dicke Reifen fordern eben ihren Tribut. 

Um eines ganz klar zu sagen: Das ist kein Trial-Gerät, kein Wettkampf-Bike und keine absolut reine Offroad-Maschine. Dafür ist der e-Stallion zu schwer, zu lang und zu sehr auf Komfort ausgelegt. Der elektrische Hengst ist eher Lifestyle als kompromisslose Maschine. Aber er ist auch eine runde Mischung: Sauberer Lauf auf Asphalt und Schotter, jederzeit mögliche Gelände-Einlagen und eine schöne Optik – Roman hat einen in meinen Augen guten Kompromiss gefunden und dafür einen akzeptablen Preis kalkuliert. Das alles ist letztendlich natürlich Geschmackssache für Normalradler und Religion für Freaks. Aber ich war bis vor kurzem ja auch kein ausgesprochener Fan von e-Bikes… 😉

 

KONTAKT:

https://www.estallion.de/
Datenblatt eStallion HIGH+ >>

Derzeit spreche ich mit Roman über einen Stand auf dem nächsten Buschtaxi-Treffen, inkl. Probefahrt-Möglichkeit

 

 

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